Chemiker der WWU Münster entwickeln neues Verfahren zur Synthese von fluorierten Molekülringen

Asymmetrische Hydrierungen von Aromaten als Herausforderung

Dreidimensionale molekulare Ringstruktur

Farben, Medikamente und funktionale Materialien – solche Produkte basieren häufig auf innovativen, von Chemikern entwickelten Molekülen. Zu ihrer Herstellung stehen den Experten viele chemische Reaktionen zur Verfügung – allerdings mit Einschränkungen. Beispielsweise sind fluorierte Verbindungen, also Moleküle, die mindestens ein Fluoratom enthalten, häufig schwer herstellbar. Dabei sind sie von herausragender Bedeutung beispielsweise bei der Entwicklung von Wirkstoffen, weil sie oft ungewöhnliche chemische Eigenschaften haben.

Erstautor Mario Wiesenfeldt fasst zusammen: "Die neue Methode erlaubt einen unerwartet einfachen Zugang zu einem faszinierenden Strukturmotiv: cyclisch, gesättigt und selektiv auf einer Seite fluoriert. Die Produkte der Reaktion zeichnen sich meist durch eine hohe Polarität aus." Zum Hintergrund: Die Verbindung "all-cis-1,2,3,4,5,6-Hexafluorcyclohexan", bei der der gesättigte Kohlenstoffsechsring die maximal mögliche Zahl von sechs Fluoratomen auf der gleichen Seite des Ringes trägt, zählt zu den polarsten derzeit bekannten organischen Verbindungen. Diese Verbindung wurde erstmals im Jahr 2015 von Prof. David O’Hagan von der University of St. Andrews in Schottland hergestellt. Dabei benötigte er für die Synthese ein aufwendiges zwölfstufiges Verfahren. Das münstersche Team kann diese Verbindung sowie viele ähnliche Moleküle nun erstmals bequem in einem Schritt und daher auch in größeren Mengen herstellen.

"Die Hydrierung ist eine attraktive und häufig sehr saubere Herstellungsmethode", unterstreicht Frank Glorius. „Ein besonders prominentes Beispiel ist die Ammoniaksynthese nach dem Haber-Bosch-Verfahren, also die Hydrierung von Stickstoff, für die über ein Prozent des Weltenergiebedarfs benötigt wird. Sie ist von fundamentaler Bedeutung für die Welternährung, weil sie beispielsweise für die Herstellung von Pflanzendünger sehr wichtig ist.“ Die Bedeutung spiegele sich auch darin, dass bereits drei Nobelpreise für diese Thematik vergeben wurden (Fritz Haber 1918, Carl Bosch 1931, Gerhard Ertl 2007). Ebenso wichtig sei aber auch die Hydrierung organischer Verbindungen, die zuletzt 2001 mit einem Nobelpreis für die asymmetrische Hydrierung ausgezeichnet wurde (William S. Knowles und Ryoji Noyori). Chemoselektive oder asymmetrische Hydrierungen von aromatischen Verbindungen seien allerdings nach wie vor besonders herausfordernd.

Diese Arbeit wurde finanziert durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes (Mario P. Wiesenfeldt), die Hans-Jensen-Minerva-Stiftung (Zackaria Nairoukh), die Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Wei Li) sowie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis für Frank Glorius). Die Ergebnisse wurden zum Patent angemeldet.