Neue Verordnung zu Umgang mit wassergefährdenden Stoffen fordert Anlagenbetreiber

Neue Anforderungen der AwSV betreffen Prüfer und Betreiber von Chemieanlagen gleichermaßen

Seit rund einem Jahr ist die neue Bundesverordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, kurz AwSV, in Kraft. Manche Detailregelungen und neue Formulierungen sorgen nach wie vor für Klärungsbedarf. Tüv Süd erläutert, was Anlagenbetreiber und Entscheider der chemischen Industrie beachten sollten. Rund 1,3 Millionen Anlagen fallen unter den Regelungsbereich der AwSV. Neben Raffinerieanlagen, landwirtschaftlichen Betrieben oder Treibstofflagern betrifft das vor allem die chemische Industrie. Am grundsätzlichen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen hat sich zwar nichts geändert. Dennoch sollten sich Betreiber von Anlagen, in denen mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird, gründlich mit der neuen Verordnung auseinandersetzen.

Die Vereinheitlichung von 16 einzelnen Landesverordnungen hat dafür gesorgt, dass Begrifflichkeiten angepasst werden mussten. Für einzelne Bundesländer haben sich damit auch Verfahren geändert. Zusätzlich gibt es neue Pflichten, Fristen und neue Stoffgruppen, die unter die Verordnung fallen. Eine wichtige Neuerung ist die allgemeine Dokumentationspflicht nach § 43 AwSV. Danach müssen Betreiber alle Stoffe, mit denen sie umgehen, klassifizieren und ihre Anlage damit einteilen. Das kann auch zu neuen Prüfpflichten führen. Diese sind in § 46 und den Anlagen 5 und 6 aufgeführt. Zu den vorhandenen Wassergefährdungsklassen (WGK) ist jetzt die Kategorie der „allgemein wassergefährdenden Stoffe (awg)“ hinzugekommen. Sie erfasst unter anderem alle aufschwimmenden Stoffe, die, allein durch ihre Fähigkeit, Gewässer abzudecken, Organismen schädigen können – sofern diese nicht bereits in eine andere WGK fallen. Wenn ein Stoff durch Bestimmungen der neuen Verordnung in eine andere WGK als bislang eingestuft wird, kann  sich dadurch auch die Gefährdungsstufe der Anlage ändern. Wenn daraus neue Anforderungen resultieren, muss die Anlage unter Umständen auf behördliche Anordnung nachgerüstet werden.

Geändert: Prüfpflichten und Fristen

Bestandslagen, für die aufgrund der AwSV neue Anforderungen gelten, die aber ihrer bisherigen Landesverordnung entsprachen, müssen erst auf Anordnung nachgerüstet werden. Im Zuge der wiederkehrenden Prüfungen hält der Sachverständige (Prüfer) eventuelle Abweichungen einer Anlage zu den Anforderungen der AwSV in seinem Bericht fest. Die zuständigen Behörden können dann eine Anpassung der Anlage anordnen. Die Prüffristen ändern sich in der Regel nicht. Anlagen können jetzt, je nach Bundesland, erstmals prüfpflichtig geworden sein. Prüfpflichten für Anlagen können aber auch entfallen sein. Diese Anlagen sind ab sofort nicht mehr durch einen Sachverständigen zu prüfen. Für einen Neubau und auch für wesentliche Änderungen an Bestandsanlagen gilt nun bundeseinheitlich eine Anzeigenpflicht, wenn diese Anlagen prüfpflichtig sind.

Zudem sollten Anlagenbetreiber die neuen Fristen zur Beseitigung von Mängeln beachten. Erhebliche Mängel müssen jetzt „unverzüglich“, also so schnell wie möglich ohne schuldhafte Verzögerung, behoben werden. Geringfügige Mängel sind innerhalb von sechs Monaten zu beseitigen. Die Nichteinhaltung der Fristen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Das kann gerade für größere Anlagen entscheidend werden; etwa wenn verschiedene Mängel unterschiedliche Fristen haben. Dann müssen unter Umständen auch die Zeitpläne zur Instandhaltung angepasst werden. Betreiber, für die sich daraus Schwierigkeiten ergeben, sollten frühzeitig den Kontakt mit den zuständigen Behörden suchen und gleichzeitig Lösungskonzepte entwickeln.

Die Planung einer Anlage hat einen höheren Stellenwert bekommen, insofern als dass sich die Grundsatzanforderungen (§ 17) jetzt neben Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb auch auf die Planung beziehen. Damit reagiert der Verordnungsgeber auf die Erfahrung, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Mängeln kam, die durch eine fachlich korrekte Planung vermeidbar gewesen wären. Konkrete Vorgaben, welche Anforderungen an den Planer zu stellen sind, macht der Verordnungsgeber derzeit nicht. Dies soll eventuell in der Überarbeitung der technischen Regel TRwS 779 erfolgen.

Detailliertere Anforderungen

In der Praxis machen sich die zahlreichen neue Begrifflichkeiten und detaillierteren Anforderungen bemerkbar. Daraus ergeben sich auch die meisten Schwierigkeiten bei der Anwendung. So gelten jetzt zum Beispiel neue Anforderungen für den Prüfbericht und dessen Gestaltung. Nach neuer Regelung müssen bestimmte Angaben bereits auf der ersten Seite vermerkt werden. Der Prüfer (Sachverständige) muss zudem konkrete Empfehlungen zu erforderlichen Maßnahmen abgeben und Fristen zu deren Umsetzung vorschlagen. Dabei ist auf die Fachbetriebspflicht zu achten.

Diskussionen gibt es regelmäßig auch zum Begriff der wesentlichen Änderungen. Sie verpflichtet bei prüfpflichtigen Anlagen, neben der von Betreibern allgemein akzeptierten Prüfung durch einen Sachverständigen, jetzt zur Anzeige bei den zuständigen Behörden oder zur behördlichen Eignungsfeststellung. Das bedeutet einen höheren bürokratischen Aufwand – insbesondere in Nordrhein-Westfalen (NRW). Dort bekamen Betreiber die Genehmigung bislang im Rahmen einer Planungsbewertung durch einen Sachverständigen (§ 7 (4) Bescheinigung). Bei kleinen Änderungen, die flexibel und zeitnah umgesetzt werden sollen, könnte diese neue Regelung als unverhältnismäßig wahrgenommen werden.

Änderungen für einzelne Bundesländer

Die AwSV löst die bislang gültigen Landesverordnungen, sowie die Verwaltungsvorschrift zur Einstufung wassergefährdender Stoffe (VwVwS) ab und konkretisiert damit die Anforderungen aus dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Auch wenn der einheitliche Vollzug der Regelungen noch nicht ganz gewährleistet ist – die Umsetzung der Verordnung erfolgt weiterhin durch die Länder –, bedeuten die einheitlichen Regelungen gerade für Betreiber großer Anlagen einen Vorteil. In einzelnen Bundesländern jedoch müssen Änderungen gegenüber den bisherigen Länderverordnungen beachtet werden.

Die alten Landesverordnungen waren zwar ähnlich, unterschieden sich aber in einzelnen Punkten. Für NRW etwa ist die Kopplung von infrastrukturellen Maßnahmen an die WGK der gehandhabten Stoffe ebenso „wieder“ neu wie der Umstand, dass ein abgesichertes Teilrückhaltevolumen nicht mehr bei allen Anlagen zulässig ist. In Berlin und NRW ist zudem die Möglichkeit entfallen, mit einem Gutachten das Eignungsfeststellungsverfahren zu ersetzen.

Herausforderungen aktiv begegnen

Unternehmen sind gut beraten, sich einen Überblick über ihren Bestand zu verschaffen. Anlagen die unter den Regelungsbereich der AwSV fallen sollten als solche erkannt, definiert und abgegrenzt werden. Das können Betreiber umsetzen, indem sie die relevanten Stoffe, wie auch deren Menge und – insbesondere – Aggregatzustände benennen und einordnen. Damit können sie die relevanten Änderungen identifizieren. Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten müssen dann klar zugeordnet werden. Schwierigkeiten bei der Umsetzung sollten im Zweifelsfall mit den zuständigen Behörden und Sachverständigenorganisationen geklärt werden. Bei Unklarheiten bezüglich konkreter Regelungen können unabhängige Dritte wie beispielsweise Tüv Süd den Anlagenbetreiber unterstützen.

Als anerkannte Sachverständigenorganisation im Sinne des § 52 AwSV kann die Tüv Süd Chemie Service GmbH die nach der Verordnung erforderlichen Prüfungen und auch gutachterliche Eignungsprüfungen durchführen. Für ein reibungsloses Verfahren ist eine gründliche Anlagendokumentation notwendig und hilfreich.

Gastautor: Dipl.-Ing. Olaf Löwe, Technischer Leiter AwSV, Abteilungsleiter Anlagenüberwachung, Tüv Süd Chemie Service GmbH
 

Stichwörter
Tüv Süd