VCI: Verkehrsinfrastruktur als Lebensader der Chemielogistik

Chemieverband fordert mehr Tempo bei Umsetzung von Verkehrsprojekten

Chemielogistik: LKW auf Straße

Bei allem Engagement für Online-Module im Betriebsablauf, bleibt eines auf Dauer analog: der tatsächliche Transport von Chemikalien in Kesselwaggons, im Laderaum von Binnenschiffen oder in Containern auf dem Lkw. Welche Verkehrsinfrastrukturprojekte aus Sicht der chemisch-pharmazeutischen Industrie so rasch wie möglich in Angriff genommen werden müssen, hat der VCI in einer Priorisierung der für die Branche relevanten Engpässe aufgezeigt. Tilman Benzing, Referent für Verkehrsinfrastruktur im Verband der Chemischen Industrie (kurz VCI), fasst diese für chemieproduktion-online.de zusammen.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie zählt zu den transportintensivsten Wirtschaftszweigen in Deutschland. Nach Angaben des VCIs beförderte die Branche 2021 rund 67,4 Millionen Tonnen Chemikalien. Sie ist der zweitgrößte Auftraggeber von Transportdienstleistungen in Deutschland. Alle Verkehrsträger wie Straße, Schiene, Binnenschiff, Seeverkehr und Pipelines sind für die Mitgliedsunternehmen des VCI notwendig, um die Rohstoffversorgung zu sichern und ihre Kunden beliefern zu können. Auch auf das Thema Sicherheit beim Transport legt Deutschlands drittgrößter Industriezweig größten Wert.

Umso wichtiger ist eine gut funktionierende Verkehrsinfrastruktur als Lebensader für die Chemielogistik. Seit vielen Jahren ist die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland chronisch unterfinanziert, lebt von der Substanz. Und das hat gravierende Folgen: Straßen sind marode, Brücken gesperrt, Schleusen störanfällig und Bahntrassen überlastet. Das deutsche Infrastrukturnetz gleicht zunehmend einem Flickenteppich, in dem wichtige Maßnahmen viel zu spät umgesetzt werden oder noch nicht einmal geplant sind. Das gilt beispielsweise für die punktuelle Engpassbeseitigung an Mittel- und Niederrhein oder die Entlastung des Schienenverkehrs im Mittelrheintal. Aber auch die Modernisierung des Wesel-Datteln-Kanals sowie die Neukonzeption des Schienenverkehrskorridors zwischen dem Ruhrgebiet und Basel sind nicht einmal ansatzweise in Angriff genommen worden. Dabei ist die Infrastruktur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Funktionsfähige Verkehrswege stärken die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

VCI fordert mehr Tempo bei Verkehrsprojekten

Dem großen Pflegebedarf der Verkehrsinfrastruktur trägt das Bundesverkehrsministerium in Ansätzen Rechnung: Der Etat für Infrastrukturvorhaben ist in den vergangenen Jahren gestiegen, auch die Beschleunigung von Verkehrsprojekten wurde beschlossen. Aber das allein reicht nicht. Nach wie vor verhindern übermäßig lange und komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie fehlendes Personal in den Behörden weiterhin, dass Bauprojekte zügig umgesetzt werden. Damit entwickeln sich lange Genehmigungsprozesse immer mehr zu einem massiven Standortnachteil für Deutschland. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Halbierung der Verfahrensdauer ist ein ambitioniertes Ziel, das die Bundesregierung so schnell wie möglich in die Tat umsetzen muss. Hier muss noch mehr Tempo gemacht werden.

Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur stärken

Um diese Anforderungen in die Realität umzusetzen, schlägt der VCI eine Reihe von Maßnahmen vor. So setzt man sich dafür ein, die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur so auszubauen, dass alle Verkehrsträger entsprechend dem Sanierungsbedarf und dem Verkehrsaufkommen gestärkt werden. Einzelne Verkehrsträger oder Maßnahmen dürfen dabei nicht im Fokus stehen, sondern alle Verkehrswege müssen gleichberechtigt gefördert und intelligent verknüpft werden. Mit großer Sorge sieht der Verband den Zustand im Schienennetz. Die Kapazitätsengpässe sind schon heute gravierend. Sie behindern den für Chemietransporte wichtigen Schienengüterverkehr erheblich. Und die kommenden Monate werden auch nicht einfacher: Die anstehende Sanierung der hoch ausgelasteten Hauptstrecken und die damit einhergehenden Baustellen werden zu noch mehr Beeinträchtigungen führen. Für den Güterverkehr müssen daher leistungsfähige Umleitungsstrecken eingerichtet werden. Wenn Strecken für Bauarbeiten voll gesperrt werden sollen, müssen auch Lösungen für den Zugang zu Gleisanschlüssen gefunden werden.

Ebenfalls Tempo gefragt ist bei den Binnenwasserstraßen. Der heiße Sommer 2022 hat erneut gezeigt: Engstellen wie im Rhein müssen deutlich zügiger beseitigt werden als geplant, und alle Möglichkeiten zur Beschleunigung müssen ausgeschöpft werden. Nur dann kann die Branche den Rhein oder andere Wasserstraßen auch bei Niedrigwasser zuverlässig nutzen. Damit die Verkehrsinfrastruktur wieder zu den Top-Standortvorteilen Deutschlands zählt, muss die Bundesregierung die Finanzierung der Sanierung und den Ausbau von Straßen, Binnenwasserwegen und Schienen vorrangig sicherstellen.

Autor: Tilman Benzing, Referent für Verkehrsinfrastruktur beim VCI

 

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