Strukturwandel: Chancen für die Chemieindustrie erhalten

Stellungnahme von Cechemnet zum Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“

Lars Domogalla, Cechemnet-Sprecher und Responsible Care Leader, Dow Olefinverbund

„Um wettbewerbsfähig zu bleiben benötigen wir rund um die Uhr eine unterbrechungsfreie Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen“, betont Lars Domogalla, Sprecher des Netzwerks Cechemnet. Dies muss bei der politischen Umsetzung der Empfehlungen der „Kohlekommission“ unbedingt beachtet werden. Dafür sprechen sich die fünf ostdeutschen Chemieparkbetreiber, die sich im Netzwerk Cechemnet zusammengeschlossen haben, in einer Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ aus.

Domogalla ergänzt: „Wir unterstützen den Strukturwandel. Aber er muss so gestaltet werden, dass es für unsere industriellen Kerne eine Zukunft gibt. Daran wollen wir aktiv mitwirken.“ Cechemnet fordert, die Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie unbedingt aufrechtzuerhalten. Wenn der beschleunigte „Kohleausstieg“ zu Strompreissteigerungen für Bevölkerung und Industrie führt, muss dies kompensiert werden. Außerdem setzen sich die Chemieparkbetreiber dafür ein, beim Strukturwandel vorrangig auf die Weiterentwicklung der vorhandenen Industrie zu setzen.

Um die Perspektiven der Unternehmen und der betroffenen Regionen zu sichern, fordern die ostdeutschen Chemiestandortbetreiber:

1. Das hohe Niveau der Versorgungssicherheit erhalten

  • Das vorgesehene Monitoring der Versorgungssicherheit muss erstmalig vor Beginn der Stilllegung von insgesamt 22 GW gesicherter Erzeugungsleistung erfolgen und dann kontinuierlich fortgesetzt werden. Der geplante Einstieg in die Evaluierung 2023, also nach den ersten Stilllegungen, reicht nicht aus.
  • Das Monitoring muss Konsequenzen haben, wenn es Versorgungslücken, Engpässe oder Gefährdungen der Versorgungssicherheit aufzeigt. Für diesen Fall sind zwingend Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit vorzusehen.
  • Gebraucht wird eine valide Definition von Versorgungssicherheit. Dabei ist die Verfügbarkeit gesicherter Leistung unter Berücksichtigung vertraglich gesicherter Leistung aus dem Ausland in Relation zur erwarteten Jahreslastspitze zu betrachten.

2. Strompreisanstieg für die energieintensive Industrie kompensieren

  • Die Bundesregierung ist aufgefordert, ein beihilferechtskonformes Instrument zu entwickeln, das auch energieintensive Unternehmen entlastet, die nicht von einer Senkung der Netznutzungsentgelte profitieren.
  • Die mit dem EU-Emissionsrechtehandel verbundene Strompreiskompensation bedarf der Verstetigung. Sie sollte so weiter entwickelt werden, dass auch aus einem weiteren Anstieg des CO2-Preises keine zusätzlichen Belastungen resultieren.
  • Die Strompreisentwicklung sollte einem ebensolchen Monitoring unterliegen wie die Versorgungssicherheit. Bei entsprechenden Ergebnissen des Monitorings sind Maßnahmen zur Sicherung eines wettbewerbsfähigen Preisniveaus zu ergreifen.
  • Der bestehende Regulierungsrahmen für die Stromversorgung verhindert die Nutzung von Flexibilisierungsspielräumen bei Stromerzeugung und -verbrauch. Die Netzentgeltverordnung sollte so umgestaltet werden, dass die Flexibilisierung angereizt wird.

3. Beim Strukturwandel Chemiestandorte weiter stärken

  • Ein erfolgreicher Strukturwandel braucht Koordinierung und Gestaltung sowie eine Zusammenarbeit, die nicht an Ländergrenzen endet. Dafür sollten eine oder zwei (je eine für die Lausitz und das mitteldeutsche Revier) länderübergreifende Institutionen geschaffen werden, die direkt an die Staatskanzleien von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt berichten. Ihre Aufgabe wäre die Priorisierung und Koordinierung der im Zuge des Strukturwandels zu realisierenden Projekte.
  • Hauptkriterium für die Priorisierung ist der Beitrag der Projekte zur Erzielung eines sowohl wirtschaftlichen als auch sozialen und ökologischen Mehrwerts für die Region. Höchste Priorität sollte die Erhaltung und Schaffung attraktiver Industriearbeitsplätze haben.
  • Der Strukturwandel sollte darauf setzen, der vorhandenen leistungsfähigen Industrie neue Möglichkeiten zur Ausschöpfung ihrer Potentiale zu geben. Die Weiterentwicklung der bestehenden Standorte verspricht mehr Erfolg, als auf die Neuansiedlung von Großprojekten zu hoffen.
  • Entscheidend für das Gelingen des Strukturwandels ist die Schaffung investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen. Deshalb sollte ein Schwerpunkt auf dem Ausbau einer wettbewerbsfähigen und bedarfsgerechten Infrastruktur liegen. Sie ist eine entscheidende Rahmenbedingung für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung und die Lebensqualität in den Regionen. Dies betrifft:
  • die Verkehrs- und Dateninfrastruktur,
  • die soziale Infrastruktur (Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Berufsschulen, medizinische Einrichtungen, Kultureinrichtungen, lebenswertes Umfeld),
  • effiziente Genehmigungs- und Überwachungsverfahren durch Stärkung der Fachkompetenz der Behörden, Straffung der Verfahren und gegebenenfalls Begrenzung vorhandener Einspruchsmöglichkeiten,
  • die zügige Bereitstellung von Flächen für die Industrie,
  • die Ansiedlung von wissenschaftlichen Einrichtungen und die Förderung der Kooperation zwischen Industrie und Wissenschaft.
  • Der Strukturwandel kann nur gemeinsam mit den Menschen in den Regionen gestaltet werden. Von besonderer Bedeutung ist, dass ausreichend qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dies stellt hohe Anforderungen an das Bildungswesen. Die Wirtschaft unterstützt die Herausbildung des Fachkräftenachwuchses.
  • Die für den Strukturwandel zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel dürfen nur zur beihilferechtlich abgesicherten Förderung marktgetriebener Entwicklungen genutzt werden. Zu vermeiden ist die Förderung von Projekten, die ohne Förderung auch langfristig keine Chance am Markt haben.

Die von den Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ besonders betroffenen Regionen im Osten Deutschlands, die Lausitz und das mitteldeutsche Revier, stehen mit anderen Regionen in Deutschland, Europa und der Welt im harten Wettbewerb um Investitionen. Um erfolgreich zu sein, bedarf es einer aktiven Rolle der Politik, die auf der Grundlage klarer Zielvorstellungen wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen gestaltet. Die Betreiber der ostdeutschen Chemiestandorte sind bereit, sich in diesen Prozess einzubringen.