Royal Society of Chemistry veröffentlicht Forschungsarbeit über edelmetallfreie Vernetzung von Siliconen

Siliconkautschuk wird durch chemische Vernetzung in einen gummielastischen Zustand überführt

Forschern des Wacker-Instituts für Siliciumchemie der Technischen Universität München und des Münchner Wacker-Konzerns wurde eine besondere Ehre zuteil: Ihre Arbeit über die edelmetallfreie Vernetzung von Siliconkautschuk wurde in dem Sonderband „2020 Green Chemistry“ der Royal Society of Chemistry (RSC) veröffentlicht. Die Redaktion würdigt auf diese Weise herausragende Beiträge zur Entwicklung nachhaltiger Konzepte für die Chemieindustrie. Die in London ansässige Gesellschaft ist eine der ältesten und renommiertesten Berufsvereinigungen für Chemiker. Sie fördert beispielsweise durch ihre Publikationen seit über 175 Jahren wissenschaftliche Arbeiten.

Der Begriff Silicone bezeichnet synthetische Polymere, die aus einem anorganischen und durch organische Reste modifizierten Silicium-Sauerstoff-Grundgerüst bestehen. Siliconpolymere können unterschiedliche Produktklassen bilden: Öle und Harze, die als Additive oder Prozesshilfsmittel im Einsatz sind, aber auch hochelastische Silicone, die beispielsweise in medizinischen Geräten, in der Autoelektronik oder in Displays wertvolle Dienste leisten. Vor der Verwendung wird das Silicon in Form von Siliconkautschuk durch chemische Vernetzung in einen gummielastischen Zustand überführt. Von den industriell genutzten Verfahren hat vor allem die Additionsvernetzung große Bedeutung, da der Vernetzungsprozess keine Spaltprodukte freisetzt und die Herstellung von besonders hochwertigen Siliconelastomeren ermöglicht. Das Verfahren hat allerdings einen Nachteil: Die zur Vernetzung benötigten Katalysatoren enthalten Edelmetalle wie etwa Platin, was die Herstellung relativ teuer macht. Zudem verbleiben die Edelmetalle dauerhaft im Silicon.

Siliconkautschuke ohne edelmetallhaltige Katalysatoren

Einen vielversprechenden Ansatz zur Lösung dieses Problems hat nun ein Forscherteam unter der Leitung von Professor Bernhard Rieger, Ordinarius des Wacker-Lehrstuhls für Makromolekulare Chemie, und Dr. Richard Weidner, zuständig für die Organosilicium-Forschung am Consortium für elektrochemische Industrie, der zentralen Forschungsstätte des Wacker-Konzerns, gefunden. Den Wissenschaftlern gelang es erstmals, Siliconkautschuke ohne edelmetallhaltige Katalysatoren zu vulkanisieren. Statt der sonst üblichen Vernetzer verwendeten sie Siliconbausteine, die Siliran-Einheiten enthalten.

Silirane sind gespannte und damit reaktive Dreiringe. Sie bestehen aus einem Silicium- und zwei Kohlenstoff-Atomen, die unter Ringöffnung direkt mit geeigneten funktionellen Gruppen ohne Freisetzung von Nebenprodukten reagieren oder durch thermische bzw. photochemische Aktivierung sogenannte Silylene erzeugen können. Diese zweiwertigen, in der Wissenschaft vieldiskutierten hochreaktiven Verbindungen können wiederum mit allen funktionellen Gruppen und Synthesebausteinen reagieren, die bei der Herstellung von Siliconkautschuk üblicherweise eingesetzt werden. Je nach Art der Aktivierung und Wahl der Ausgangsverbindungen lassen sich somit Silicone mit siliranhaltigen Vernetzern auf unterschiedlichen Wegen vernetzen.

Im Labor konnten die Forscher des Wacker-Instituts nun genau dies demonstrieren. Anhand von Versuchen mit ausgewählten Siliconformulierungen konnten sie zeigen, dass eine Vernetzung des Siliconkautschuks auf diese Weise möglich ist. Die Endeigenschaften werden allein durch die Wahl der Ausgangsprodukte und deren Mischungsverhältnis bestimmt. Die auf diese Weise hergestellten Siliconelastomere zeichnen sich durch eine sehr hohe Reinheit aus. Sie enthalten weder flüchtige Substanzen noch Spuren von Edelmetallen. „Das gilt vor allem für Elastomere, die mittels einer Ringöffnung vernetzt wurden. Solche Silicone sind insbesondere für medizinische Zwecke oder als Vergussmaterialien für die Elektroindustrie geeignet“, sagt Bernhard Rieger.

Die vorliegende Arbeit ist auch deshalb wegweisend, weil sie erstmals zeigt, wie derartig hochreaktive Siliciumverbindungen für eine industrielle Anwendung prinzipiell nutzbar gemacht werden können. Bis zur Praxistauglichkeit und industriellen Nutzung müssen die Forscher jedoch noch einige Hürden nehmen. „Die Vorteile des Verfahrens sind aber schon jetzt klar zu erkennen“, sagt Rieger. „Vor dem Hintergrund, dass der Bedarf nach Edelmetallen weltweit steigt, diese aber nur begrenzt zur Verfügung stehen, können alternative Konzepte wie die edelmetallfreie Vernetzung von Silicon mit Hilfe von Siliranen einen wichtigen Beitrag zur Schonung wichtiger Ressourcen leisten.“

Hintergrund

Das am Forschungscampus Garching bei München beheimatete Wacker-Institut für Siliciumchemie wurde 2006 von der Technischen Universität München und dem Münchner Chemiekonzern Wacker gegründet. Seither haben 54 Forscher des Instituts promoviert. Derzeit erforschen elf Wissenschaftler im Rahmen ihrer Doktorarbeit industriell relevante siliciumorganische Grundlagenthemen. „Grundlagenforschung ist für uns essenziell“, sagt Wacker-Chemiker Richard Weidner. „Daher ist die Zusammenarbeit mit dem Siliciuminstitut für uns besonders wertvoll. Wir können junge, hochmotivierte Doktoranden in idealer Weise dabei unterstützen, wichtige Grundlagen für zukunftsweisende und industriell relevante Technologien zu entwickeln. Beide Seiten bringen dabei ihre Kompetenzen und Fähigkeiten ein.“
 

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