Nordostchemie-Tarifrunde im Schatten des Kriegs in der Ukraine

Chemie im Umbruch

Das Nordostchemie-Verbandsgebiet umfasst die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

Die regionale Verhandlung für die rund 48.000 Beschäftigten der tarifgebundenen Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Ostdeutschland ist ergebnislos vertagt worden. Angesichts der dramatischen Entwicklungen in der Ukraine aufgrund der russischen Invasion zeigten sich die Verhandlungspartner tief betroffen. Die Gespräche werden am 21. März 2022 auf Bundesebene in Hannover fortgesetzt. „Der Krieg macht eine normale Tarifrunde unmöglich. Über Entgelterhöhungen und Schichtzulagen zu debattieren, während die Menschen in der Ukraine um ihre Existenzen und ihr Leben fürchten müssen, fällt mehr als schwer“, hob Thomas Naujoks, Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite, gleich zu Beginn der Gespräche hervor. Zahlreiche Chemie-Unternehmen sind in der Ukraine als auch in Russland aktiv und sorgen sich um die Sicherheit ihrer Beschäftigten und deren Familien.

Rein wirtschaftlich bewegte sich die Branche schon vor Kriegsausbruch in einem durch steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie gestörte Lieferketten unsicheren Umfeld. „Zwar hat die Branche im letzten Jahr ein Umsatzplus verzeichnet, aber Umsatz ist nicht gleich Gewinn“, erklärt Naujoks. Die Weitergabe der Kosten an die Kunden ist zudem schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. „Wir stehen mit unseren Produktionen im internationalen Wettbewerb. Mit ausufernden Arbeitskosten durch zu hohe Tarifabschlüsse, die auch nicht durch eine höhere Produktivität aufgefangen werden können, stellen wir uns selbst in Abseits.“

Der Krieg verschärft die Sorgen der Unternehmen um ein Vielfaches. Vor allem in Ostdeutschland gibt es große Abhängigkeiten vom russischen Gas und Öl, die sich nicht kurzfristig lösen lassen. Im schlimmsten Fall drohen Drosselungen oder gar Stopps in der Produktion. Folglich lehnt die Arbeitgeberseite die Forderungen der Gewerkschaft nach Erhöhung der Entgelte und Schichtzulagen, auch vor dem Hintergrund einer derzeit verzerrten Inflation sowie massiven Investitionen im Rahmen des Transformationsprozesses der Branche, als völlig unverhältnismäßig ab. „Die Forderungen würden in dieser Form und zum jetzigen Zeitpunkt den Unternehmen und somit auch den Beschäftigten schaden“, resümiert Naujoks. Die Unternehmen im Nordosten befinden sich zudem noch mitten in der Umsetzung des Potsdamer Modells. Diese bedeutet eine zusätzliche Tarifbelastung.

Einig hingegen waren sich die Sozialpartner, dass eines der wichtigsten Zukunftsthemen die Gewinnung von ausreichend qualifizierten Fachkräften ist. Positiv sei, dass die Unternehmen die Beschäftigtenzahl trotz Krise stabil gehalten hätten. Die Zahl der angebotenen und besetzten Ausbildungsplätze in Ostdeutschland ist zudem 2021 gestiegen und die Übernahmequote auf einem konstant sehr hohen Niveau.
 

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