Industrieproduktion auch im November 2021 von Lieferengpässen gebremst

Unsicherheiten um Omikron-Variante des Coronavirus noch nicht enthalten

Die Störungen der globalen Lieferketten halten weiter an

Auch im November hatten die deutschen Hersteller angesichts der anhaltenden Probleme in den Lieferketten Schwierigkeiten, ihre Produktion hochzufahren. Des Weiteren stellt der kräftige Kostenanstieg viele Unternehmen vor große Herausforderungen und führte zu einem weiteren Rekordanstieg der Verkaufspreise. Dennoch hat sich der Geschäftsausblick zum ersten Mal seit fünf Monaten wieder stärker aufgehellt, wie der saisonbereinigte IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) zeigt. Der wichtige Konjunktur-Frühindikator für die größte Volkswirtschaft Europas ging im November leicht auf 57,4 Punkte nach 57,8 im Oktober zurück. Dies ist der tiefste Wert seit zehn Monaten.

„Wir beobachten mit Sorge, dass sich der Materialmangel in der Industrie weiter verstärkt. Der zum Teil mit harten Bandagen geführte Wettbewerb um Rohstoffe und Vorprodukte sowie die stark gestiegenen Energiepreise haben die Kosten der Hersteller im November weiter erhöht“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), in Eschborn. Ein Hoffnungsschimmer im dunklen Corona-Winter sei die positive Entwicklung des EMI-Teilindex Geschäftserwartungen, der sich im Berichtsmonat etwas erholte und auf den höchsten Stand seit August dieses Jahres kletterte.

Inflation wird zum Dauerproblem

„Auch im November sind die Probleme der Vormonate geblieben: Die Nachfrage übersteigt das Angebot“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Donnerstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Die logische Konsequenz seien Preissteigerungen und Lieferprobleme. Daran dürfte sich voraussichtlich auch in den nächsten Monaten nicht allzu viel ändern, denn neben Materialknappheit werde auch immer deutlicher, dass der Mangel an Arbeitskräften das „neue“ Problem sei. „Dies war aufgrund der demographischen Entwicklung vorhersehbar, wurde aber lange ignoriert. Die Risiken einer Lohn-Preis-Spirale steigen zunehmend an. Inflation wird zum Dauerproblem“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu. „Die aktuellen Unsicherheiten um die Omikron-Variante des Coronavirus sind in den vorliegenden Ergebnissen noch nicht enthalten. Schon ohne diese neuen Probleme erwarten wir für das vierte Quartal neue Beschränkungen und kein Wachstum mehr, sondern eine Schrumpfung. Wir sind damit nur noch ein Quartal von einer neuerlichen Rezession in Deutschland entfernt“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank, dem BME.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services bei der IKB Deutsche Industriebank, dem BME folgende Einschätzung: „Unverändert halten die Störungen in den globalen Lieferketten an. Einmal mehr rückte China in den Fokus, nachdem es zu verminderten Ausfuhren von Primäraluminium und insbesondere von Magnesium gekommen ist. Bei letzterem ist China für 85 Prozent der globalen Erzeugung verantwortlich. Offizieller Grund für den Exportrückgang ist die reduzierte Stromerzeugung; manche Brancheninsider vermuten aber auch politisches Kalkül in Richtung USA. Trotz knapper Versorgungslagen gaben viele Rohstoffpreise gegen Ende November deutlich nach, als sich die Sorge um die neue Virusmutante aus Südafrika verdichtete. Viele Unternehmen - gerade auch in Deutschland - fürchten daher wieder einen größeren Lockdown, welcher der Konjunktur einen kräftigen Schlag versetzen würde.“ Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion, Auftragseingang und Jahresausblick

Die Produktionssteigerungsrate in der Industrie fiel im November erneut relativ schwach aus. Der saisonbereinigte Teilindex blieb im Vergleich zum 16-Monatstief vom Vormonat fast unverändert. Abermals machten die befragten Manager vor allem den Mangel an Teilen und Komponenten für die geringen Zuwächse verantwortlich. Bei den Teilsektoren wurde lediglich im Konsumgüterbereich Wachstum verzeichnet, während in den anderen beiden Bereichen leichte Rückgänge zu Buche schlugen. Erstmals seit vier Monaten fiel das Plus im Auftragseingang im Vergleich zum Vormonat wieder höher aus, wenn auch nur minimal. Der aktuelle Wert lag erneut sowohl über dem Langzeitdurchschnitt als auch über dem Teilindex Produktion. Dennoch, der jüngste Anstieg der Neuaufträge war der zweitniedrigste, seit sich die Nachfrage Mitte 2020 begann zu erholen. Damit hat die Konjunktur gegenüber den Höchstwerten zu Beginn des Jahres merklich an Schwung verloren.

Im November wuchsen die Exportaufträge weniger stark als zuletzt. Es war das siebte Mal innerhalb der vergangenen acht Monate, dass sich die Zuwachsrate seit dem Rekordhoch im März abgeschwächt hat. Einer der Hauptgründe dafür war die schleppende Nachfrage von Kunden aus dem Automobilsektor. Die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Produktionsniveaus haben sich im November etwas verbessert. Damit endete der Abwärtstrend, der den Optimismus vom Rekordhoch im Juni auf ein 14-Monatstief im Oktober zurückgehen sah. Eine Vielzahl der Unternehmen hofft vor allem, dass sich die Liefersituation spätestens im zweiten Halbjahr 2022 deutlich entspannt und die Pandemie dann weitestgehend unter Kontrolle ist.

Beschäftigung und Verkaufspreise

Im November wurde bei der Beschäftigung erneut ein solides Plus verzeichnet, da der Kapazitätsaufbau vielerorts vorangetrieben wurde. Allerdings schwächte sich die Zuwachsrate den vierten Monat in Folge auf den nun niedrigsten Wert seit Beginn des Wachstums im März ab. Den kräftigsten Stellenaufbau gab es im Investitionsgüterbereich. Die Inflationsrate der Einkaufspreise verharrte im November auf extrem hohem Niveau. Der saisonbereinigte Teilindex hat sich gegenüber Oktober kaum verändert und blieb nahe dem Allzeithoch vom Juli. Neben den mittlerweile fast schon gewohnten Verteuerungen der Frachtkosten und Rohstoffpreise machen sich nun auch vermehrt die steigenden Energiekosten bemerkbar, wie zahlreiche EMI-Umfrage-Teilnehmer:innen berichteten. Der hohe Kostendruck treibt die Verkaufspreise der deutschen Industrieunternehmen weiter in die Höhe. Zudem stieg der dazugehörige Teilindex den zweiten Monat in Folge auf ein neues Allzeithoch. In allen drei Teilsektoren der Industrie wurden deutliche Anstiege verzeichnet, angeführt vom Vorleistungsgüterbereich.

Hintergrund

Der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird vom Anbieter von Unternehmens-, Finanz- und Wirtschaftsinformationen IHS Markit mit Hauptsitz in London erstellt und beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (Markit U.S.-PMI).