Chemieingenieur der FAU erhält zum zweiten Mal einen Advanced Investigator Grant des ERC

Ganz ohne Ecken und Kanten

Prof. Dr. Peter Wasserscheid vom FAU-Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik

Eine solche Auszeichnung wird nur wenigen Wissenschaftlern zuteil: Peter Wasserscheid, Professor für Chemische Reaktionstechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), erhält bereits zum zweiten Mal einen Advanced Investigator Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC). Mit der Fördersumme in Höhe von 2,5 Millionen Euro will Wasserscheid die Erforschung eines fundamental neuen Materialkonzepts für die Katalyse vorantreiben, das auf der stark reaktionsbeschleunigenden Wirkung niedrig-schmelzender Metalltropfen beruht.

Wer Peter Wasserscheid bei einem Vortrag über ionische Katalysatoren, chemisch gebundenen Wasserstoff oder die Geheimnisse der Katalysatorforschung erlebt, der ist sofort fasziniert von seiner Fähigkeit, wissenschaftliche Visionen zu entwickeln und zu erklären – etwa wenn es um die Energieversorgung in zwanzig Jahren geht. Seine wissenschaftliche Karriere startete der gebürtige Würzburger nicht erst an der Universität, sondern in der Waschküche seiner Mutter, wo er sich 1989 mit biologisch abbaubaren Kunststoffen auf Basis von Reststoffen der Papierherstellung beschäftigte. Diese ersten Experimente waren offenbar richtungsweisend: Als Bundessieger bei „Jugend forscht“ des Jahres 1990 beschloss Peter Wasserscheid, Chemie an der RWTH Aachen zu studieren.

Spezialgebiete: flüssige Salze und chemische Wasserstoffspeicherung

Heute gilt der Vater dreier Töchter, der leidenschaftlicher Hobbykoch und bekennender Borussia-Dortmund-Fan ist, als einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet ionischer Flüssigkeiten, also Salzen in flüssiger Form. Für seine wegweisenden Forschungsarbeiten in diesem Bereich erhielt er 2006 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, den renommiertesten deutschen Förderpreis – als dritter Wissenschaftler der FAU überhaupt. Vier Jahre später, 2010, folgte ein mit knapp zwei Millionen Euro dotierter Advanced Investigator Grant des ERC. Mit dem Geld aus Brüssel wurde die Erforschung neuer Flüssigsalz-Katalysatoren gefördert, mit denen sich Wasserstoff in organischen Molekülen anreichern und gezielt wieder freisetzen lässt.

Diese Arbeiten legten die Grundlage für ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet der Arbeitsgruppe Wasserscheid: der chemischen Energiespeicherung. Die gemeinsam mit Kollegen der FAU entwickelte Liquid-Organic-Hydrogen-Carrier-Technologie (LOHC) hat mittlerweile weit über die Grenzen Erlangens hinaus Beachtung gefunden. Die damit verbundenen Publikationen und Patentanmeldungen haben nicht zuletzt dazu geführt, dass Wasserscheid Gründungsdirektor des im August 2013 gegründeten Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien wurde. Auch kommerzielle Anwendungen der LOHC-Technologie gibt es bereits: Die Hydrogenious Technologies GmbH, eine FAU-Ausgründung mit inzwischen 70 Mitarbeitern, verkauft bereits Demonstratoren der Technologie in alle Welt und untermauert damit die internationale Spitzenstellung der Erlanger Wissenschaftler auf dem Gebiet der flüssigen Wasserstoffträger.

Advanced Grant, der zweite

Jetzt hat der European Research Council (ERC) entschieden, Wasserscheid erneut mit einem Advanced Grant auszuzeichnen. Das beantragte Forschungsprojekt ist eine logische Weiterentwicklung der bisherigen Arbeiten und befasst sich doch mit einem grundlegend neuen Forschungsansatz, der bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse und einen Technologiesprung für die chemische Industrie verspricht. Wieder geht es um die besonders effiziente Freisetzung von Wasserstoff aus organischen Molekülen, wieder sind flüssige Reaktionsbeschleuniger im Einsatz. Allerdings handelt es sich bei der erst jüngst durch Wasserscheid und Kollegen des Exzellenzclusters EAM entdeckten Katalysatorklasse um flüssige Metalltropfen, die auf porösen Trägern haften und in dieser Form mit den Reaktanden in Kontakt gebracht werden.

Die flüssige Natur der mikroskopisch kleinen Metalltropfen ergibt sich durch einen sehr hohen Anteil an niedrig schmelzendem Gallium. Dieser Überschuss an Gallium führt gleichzeitig dazu, dass die gelöste zweite Metallkomponente atomar verteilt vorliegt und damit einzelne in Gallium gelöste Metallatome für die katalytische Aktivität verantwortlich sind. Anders als bei traditionellen Feststoffkatalysatoren sind hier also nicht die Ecken und Kanten nanometerskaliger Partikel die aktiven Stellen des Reaktionsbeschleunigers, sondern einzelne Metallatome, die aus einem „See“ an Gallium auftauchen und nach getaner Arbeit wieder in die Flüssigkeit abtauchen.

Die einzigartige Dynamik der flüssigen Katalysatoroberfläche erschließt völlig neue Perspektiven für die Metallkatalyse. Faszinierend ist beispielsweise, dass einzelne Metallatome, umgeben von Gallium, sehr ungewöhnliche Eigenschaften zeigen, so dass kostengünstige Metalle unter Umständen teure Edelmetalle ersetzen könnten. „Die Gutachter des ERC teilen offensichtlich meine Begeisterung für hochdynamische Katalysatoroberflächen“, sagt Peter Wasserscheid. „Das einzigartige Erlanger Forschungsumfeld mit Spitzenforschern auf den Gebieten der Spektroskopie, der Mikroskopie, der Partikeltechnik, der Röntgenbeugung und der Theoretischen Chemie war für die Qualität und Überzeugungskraft unserer bisherigen Vorarbeiten absolut essenziell.“ Diese Vorarbeiten der letzten drei Jahre haben letztlich dem jetzt prämierten Forschungsvorhaben, das sich auf die reaktionstechnischen Aspekte der Flüssigmetall-Katalyse fokussiert, den Weg bereitet.
 

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